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Rechtsprechung - Arbeitsrecht Kündigung

Rechtfertigt der Diebstahl eine fristlose Kündigung?

Das Bundesarbeitsgericht hat am 10.06.2010 über eine fristlose Kündigung entschieden, die in den Medien viel Beachtung fand (BAG 2 AZR 541/09). Es handelt sich um den Fall "Emmely", einer Kassiererin, die zwei Leergutbons jeweils im Werte von unter einem Euro dem Arbeitgeber gestohlen haben sollte. Das hatte die Vorinstanz festgestellt und an diese Feststellung war das BAG in seiner Entscheidung gebunden. Das Arbeitsverhältnis bestand zu dieser Zeit schon 30 Jahre unbeanstandet. Hatten die Vorinstanzen (LAG Berlin-Brandenburg) die fristlose Kündigung noch für wirksam erachtet, so sah dies das Bundesarbeitsgericht anders. Die fristlose Kündigung war im Ergebnis unwirksam. Das heißt nun aber nicht, dass Arbeitnehmer Bleistifte, Gebäck oder andere Dinge von geringem Wert rechtsfolgenlos stehlen dürfen.

Denn das Bundesarbeitsgericht hat auch in dieser Entscheidung unmissverständlich klargestellt, dass ein Arbeitnehmer, der bei oder im Zusammenhang mit seiner Arbeit rechtswidrige und vorsätzliche Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen seines Arbeitgebers begeht, zugleich in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme verletzt und das in ihn gesetzte Vertrauen missbraucht. Ein solches Verhalten kann auch dann ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung sein, wenn die rechtswidrige Handlung Sachen von geringem Wert betrifft oder zu einem nur geringfügigen, möglicherweise auch zu überhaupt keinem Schaden geführt hat (BAG a.a.O.).

Auch nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts bleibt es also dabei, dass Arbeitnehmer keine strafbaren Handlungen gegen ihren Arbeitgeber begehen dürfen, sie dürfen nach wie vor auch keine Güter von äußerst geringem Wert stehlen. Auch der Diebstahl einer geringwertigen Sache unter einem Euro kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen.

Aufgrund der Tatsache, dass es keine absoluten Kündigungsgründe gibt, bedarf es zur Prüfung, ob eine fristlose Kündigung gerechtfertigt ist, stets einer umfassenden, auf den konkreten Einzelfall bezogenen Bewertung und Interessenabwägung. Im Rahmen dieser Interessenabwägung hielt das Bundesarbeitsgericht die fristlose Kündigung gegen die Kassiererin jedoch für unwirksam, weil das Arbeitsverhältnis über außerordentlich viele Jahre hinweg ungestört bestanden hat und eine dadurch verfestigte Vertrauensbeziehung der Arbeitsvertragsparteien nicht durch eine erstmalige Enttäuschung des Vertrauens vollständig und unwiederbringlich zerstört werden konnte. Hervorgehoben hat das Bundesarbeitsgericht die Tatsache, daß die Kassiererin über Jahrzehnte die Vermögensinteressen des Arbeitgebers stets beachtet hat und sie ansonsten ohne Fehl und Tadel war.

Fazit: Diebstähle gegen den Arbeitgeber sind grundsätzlich geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Auf den Wert des Diebesgutes kommt es nicht an, sondern auf die Interessenabwägung im Einzelfall.